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Ich mag die Menschen hier. Es ist vor allem faszinierend, dass sie den ganzen Tag erzählen können, ich weiß zwar nicht über was, weil ich es leider (noch) nicht versteh, aber toll. Wenn irgendeine Entscheidung gefällt werden muss, dann dauert das meistens sehr lange, weil jeder seine Meinung loswerden muss. Manchmal wundere ich mich, was es da zu diskutieren gibt, weil es für mich klar ist. Deshalb dauern die Sitzungen auch meistens sehr lange, beginnen aber meist nie pünktlich, weil die Tansanier es nicht so mit der Uhrzeit haben. Ja, da kann man sich schon schnell dran gewöhnen, aber bisher war ich eigentlich meistens ziemlich pünktlich. Die Leute hier sind auch ein sehr gemütliches Volk und machen sich keine Hektik. Ich denke jetzt grad an die lieben Kollegen im Krankenhaus und den Stress, den sie meistens haben. Ich finde es schon schön, wenn es etwas ruhiger zugeht, aber auch nicht zu ruhig.
Viele von euch haben mich gefragt, ob wir hier auch Ostern feiern. Ja, das sind auch hier Feiertage. Ich habe aber alle Feiertage gearbeitet. Das hat mir aber nichts ausgemacht, weil sich das meiste Leben hier im Krankenhaus und drum herum abspielt. Meine Arbeit auf der Frauen- und Kinderstation macht mir mittlerweile echt Spass. So langsam gewöhne ich mich auch an den Ablauf. Bisher hatte ich aber nur Frühdienst. Die Behandlung von Malaria und Typhus ist mir jetzt auch schon ziemlich vertraut. Letztens hatte ich meinen ersten HIV- Patient. Diese Frau hatte Herbes zooster entlang des Nervus opthalmicus (des Sehnervs) im Nacken, Ohrenbereich und Kopf. Das sah echt schlimm aus. Erst wusste ich nichts damit anzufangen, aber das ist eines der typischen Zeichen für eine HIV-Infektion. Als dann ein Test gemacht wurde, war dieser auch positiv. In unserer Klinik machen wir aber keine Antiaidsbehandlung. Wir schicken die Patienten in eine Spezialklinik. Eine weitere Patientin ist diese Woche auf HIV-positiv getestet worden. Sie kam in einem sehr geschwächten Zustand mit einer Lungenentzündung. Sie hat auch eine Pilzinfektion im ganzen Mundbereich. Zur Zeit geht es ihr nicht sehr gut und ich weiß nicht, ob sie noch lange lebt. Das sind ganz neue Dinge, mit denen man hier konfrontiert wird. Ich weiß nicht, was schlimmer ist: die Diagnose Krebs oder HIV. Natürlich habe ich schon etwas Angst vor einer Ansteckung, aber man muss sich halt immer gut schützen, egal bei welchem Patient, weil man nie weiß, ob dieser den Virus hat oder nicht. Zum Glück mangelt es hier nicht an Handschuhen. Da bin ich echt froh.
Gestern haben wir eine Patientin mit einem ganz geschwollenen Unterschenkel bekommen. Sie hat schon seit 2 Wochen solche Beschwerden und kann nicht mehr laufen. Ja und das Röntgenbild hat gezeigt, dass es eindeutig eine Fraktur (Bruch) ist. Leider kommen die Patienten meist ziemlich spät, weil sie die ganze Behandlung selbst bezahlen müssen und das nötige Geld oft fehlt. Es wird auch nur der operiert, der die Operation bezahlt, es sei denn es handelt sich um eine Not- OP.
Letztens habe ich wieder bei einem Kaiserschnitt zugeschaut. Dies ist eine ziemlich häufige OP hier. Bei dieser Frau war es schon fast zu spät. Wir mussten das Baby ca. 5-10 min reanimieren, bevor es geatmet und den ersten Schrei von sich gegeben hat. Auf so einem winzigen Körper herumzudrücken, ist schon ein anderes Gefühl. Ich bin echt froh, dass es überlebt hat.
Bei einer normalen Geburt durfte ich auch schon assistieren. Da es das erste Mal war, dass ich so etwas gesehen hab, fand ich es echt spektakulär.
Teilweise sind ganz turbulente Tage und dann ist es mal wieder ruhiger. Heute habe ich mich gefreut, dass ich eine Flexüle richtig gelegt habe. Darin sind die Schwestern hier ziemlich fit. Die meisten hier haben aber nur ein paar Monate eine Krankenpflegeschule besucht, wenn überhaupt. Aber über die Standartbehandlungen wissen sie schon ganz gut Bescheid. Manchmal kommt es vor, dass ich auf einmal ganz allein auf Station bin und mich frage, wo die anderen sind. Ja, die haben sich eben mal verkrümelt, weil sie wissen, dass du schon die Arbeit machst. Dann musst du sie anstellen. Aber mittlerweile ist es schon besser. Die dänischen Studenten durften auch in den letzten Tagen ohne andere Ärzte Visite machen, aber ich finde, sie sind echt kompetent und es macht Spass.
Ansonsten ist meine Freizeit auch ziemlich ausgefüllt. Ich singe jetzt im Chor mit und der übt regelmäßig Montag, Mittwoch, Freitag und Samstag Nachmittag und dann mindestens 1-1,5 h. Das ist schon ganz schön viel. Diese Woche ist Gebetswoche und da trifft sich der Chor jeden Tag zum Üben. Das ist schon etwas anstrengend, aber es macht auch echt Spass. Ich hoffe, dass ich dadurch auch die Sprache schneller lerne, weil sie alles in Swahili singen. Da diese Woche Gebetswoche ist, ist sowohl Vormittags als auch Nachmittags ein Gottesdienst. Ein Pastor aus Dar ist extra dafür hergekommen. Er hat ein solches Temperament, wie ich mir einen Farbigen vorstelle. Ich finde die Predigten sehr gut, die er hält. Ihm ist natürlich gleich aufgefallen, dass eine Weiße im Chor mitsingt und er hat gleich gesagt, wie schön er das findet. Und gestern sollte ich dann gleich vor allen Leuten beten. OK, das hat mich etwas überrumpelt, deshalb hab ich in Deutsch in gebetet, dass hat wenigstens niemand verstanden . Wir haben hier auch schon Volleyball gespielt.
So langsam gewöhne ich mich daran, vorübergehend allein im Haus zu wohnen und es ist gar nicht mal so schlecht. Du musst auf niemanden Rücksicht nehmen. Außer in der Nacht, da ist es manchmal etwas unheimlich, weil hier so viele fremde Geräusche sind. Aber es laufen auch immer Watchmänner über das Gelände, so bin ich eigentlich ziemlich sicher.
Ich liebe die Früchte hier, vor allem die Bananen schmecken fantastisch. Ich habe auch einen Ofen und habe schon Brot gebacken, weil es hier in dem Sinne nicht so wirklich welches zu kaufen gibt und wenn, dann nur Weißbrot. Auch habe ich eine funktionierende Kochplatte. Die Wäsche muss ich hier mit der Hand waschen. Das ist auch erst mal gewöhnungsbedürftig, aber ich denke damit kann ich leben.
Ja mein Leben hier ist schon anders als in Deutschland, aber ich glaube nicht unbedingt schlechter. An manche Dinge kann man sich schnell gewöhnen, an andere erst später. Z.B. nur abgekochtes Wasser zu trinken ist kein Problem mehr für mich. Anfangs hatte ich ein paar Tage Durchfall, aber jetzt hat sich mein Körper daran gewöhnt und ich habe keine Probleme mehr damit. Dafür bin ich Gott auch echt dankbar. Das Leben hier ist schon sehr interessant und mittlerweile beginne ich es echt zu lieben.
Ja, das waren so die letzten Neuigkeiten von mir. Ich bin mir sicher, bei euch geschieht auch einiges. Ich freu mich über eure Mails. Ich werde mich bemühen auch jedem persönlich mal zurück zuschreiben, aber sorry, wenn es etwas dauert.
Gott segne euch alle!
LG Lydia
PS: Kommentar zu Bild 4: das sind die 2 Studenten und Dr. Oster, der dänische Arzt
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