Ein Bericht von Julian, der sein Freiwilliges Soziales Jahr mit ADRAlive! in Bolivien absolviert.
Der Beginn des Abenteuers
Die ersten zweieinhalb Monate in meinem Projekt – das Kinderheim “El Sauce“ in Bolivien – sind nun schon um. Und was soll ich sagen? Sie vergingen wie im Flug!
Meistens ein Indiz dafür, dass man alles um sich herum vergisst, weil man sich pudelwohl fühlt. Wie sieht das bei mir aus?
Die allererste Zeit hier, sprich gut die ersten zwei Wochen, ging es für mich Schlag auf Schlag. Jeden Tag etwas Neues entdecken, jeden Tag etwas Neues (kennen-) lernen, sich jeden Tag ein bisschen wohler fühlen, denn die Sprache, vor der ich am meisten Respekt hatte, stellte mich gar nicht vor solche Herausforderungen, wie anfangs befürchtet hatte – dem Schulspanisch sei Dank.
Ich fühlte mich schnell nicht mehr ganz so in der Fremde, da die anfangs Fremden keine Fremden mehr waren.
Was mache ich hier überhaupt?
Der Kontakt zu den Kindern war zu Beginn meiner Zeit hier gar nicht so intensiv vorhanden. Ich weiß, es klingt paradox, wenn man in einem Kinderheim wohnt und arbeitet, welches zur Zeit 23 Kinder beherbergt. Doch war das für mich Realität, was aber fast gänzlich meiner Arbeit hier im Projekt “verschuldet“ war. Meine Arbeit beinhaltete nämlich das, was das Projekt am Leben hält: das Feld.
“El Sauce“ generiert neben Spendeneinnahmen auch eigene Gelder, indem einmal pro Woche eigens angebautes Obst und Gemüse an Kunden verkauft wird. Die Besonderheit: es ist alles Bio, für bolivianische Verhältnisse eine Rarität.
Meine Aufgabe besteht also darin, die Felder zu bewirtschaften, sprich sie mit einem Spaten „umzukloppen“, Unkraut zwischen den Pflanzen zu entfernen, die Obstbäume und Büsche für die “Tragzeit“ vorzubereiten und natürlich die Dinge, die wir angepflanzt, haben am Mittwoch, dem Erntetag, zu ernten.
Seit gut einem Monat bekommen wir nun aber ab und zu auch abwechslungsreichere Aufgaben von unserem Chef aufgetragen. Beispielsweise sollte dem Eingangsbereich vom Jungenhaus, Casa 1, das zudem das Haupthaus und Anlaufsort für Besucher darstellt, ein neuer “Look“ verpasst werden. So waren wir also kurzum gute vier Tage am Streichen, bis der Raum in neuem Glanz erschien.
Aktuell sind wir dabei, zum ersten Mal eine Internetverbindung in das Projekt zu holen. Dazu sollten wir zwei Masten mit Antennen zum Verstärken des Signals aufstellen und um diese mit Strom zu versorgen, verlegen wir aktuell ein gut 800 Meter langes Stromkabel unter die Erde.
“Nueve meses mas“ ~ neun weitere Monate
Die Arbeit ist anstrengend, doch sie macht Spaß. Du tust hier Dinge, die du noch nie zuvor in deinem Leben gemacht hast. Du lernst dazu und wächst an dir selber – etwas Besseres gibt’s nicht.
Und auch das schon angesprochene Thema mit dem wenigen Kontakt mit den Kindern regulierte sich. Dreimal die Woche haben wir nun eineinhalb-stündige “Workshops“ mit den Kids, bei denen sie handwerkliche Dinge lernen sollen.
Es ist also wirklich ein guter Mix aus allem, der mir auf jeden Fall Lust auf mehr macht und mich sehr positiv und voller Motivation auf die nächsten, höchstwahrscheinlich noch wunderbaren neun Monate in meinem Abenteuer blicken lässt.
Melissa hat ihr Freiwilliges Soziales Jahr mit ADRAlive! in Bolivien gemacht. Wie es ihr dort erging, erzählt sie im Video.
Kommentare deaktiviert für Grüße aus BolivienEin Bericht von Jonathan, der sein Freiwilliges Soziales Jahr mit ADRAlive! in Bolivien verbringt.
Als ich mich dafür entschied, ein Jahr nach Bolivien zu gehen, um einen Freiwilligendienst zu absolvieren, war das noch ein sehr leerer Satz. Ich hatte tatsächlich gar nicht mal so viele Erwartungen. Doch mit der Zeit füllte er sich mehr und mehr mit Menschen, Orten und Erlebnissen. Und mit Gefühlen, die ich nun mit all dem verbinde.
Nachdem ich mir bis zu meinem 18. Geburtstag noch die Zeit vertrieben hatte, während alle anderen ADRA-Freiwilligen meines Jahrgangs schon in die Welt hinausgezogen waren, ging es im Oktober dann endlich auch für mich los. Verabschiedung am Flughafen in Berlin von meiner Familie und dann gings auch schon zum Check-In. Ich realisierte natürlich an dieser Stelle noch nicht, dass ich eben mal für ein ganzes Jahr wegflog. Dennoch war ich sehr gespannt, was mich in Bolivien denn so erwarten würde. Südamerika – das klang für mich immer nach Freiheit.
Das Projekt, in dem ich gelebt und gearbeitet habe, ist „Hogar de Ninos L’ESPERANCE“, ein Kinderdorf, in dem ca. 60 Kinder leben. Sie sind zum Teil Waisen/Halbwaisen oder stammen aus Verhältnissen, in denen sie vernachlässigt oder verlassen wurden. Wir befinden uns hier im Herzen Boliviens, umgeben von Dschungel und Flüssen. Schöner als hier kann Landschaft gar nicht sein. Wir haben sechs Hauselternpaare, die sich jeweils um ca. zehn Kinder kümmern. Die Hauspapas arbeiten jeweils in den verschiedenen „Werkstätten“, sei es die Bäckerei, die Tischlerei oder die Landwirtschaft.
Im Laufe des Jahres habe ich in den verschiedensten Bereichen mitgearbeitet. Über diese Abwechslung, die sich mir immer wieder bot, war ich wirklich froh. Eine ganze Weile widmete ich mich der Verkäufertätigkeit und wir fuhren jeden Tag die 15 Minuten mit unserem alten Toyota-Bus auf der holprigen Straße nach Villa Tunari, der nächsten Kleinstadt, um Brownies zu verkaufen. Die wurden von Juan, unserem Bäcker, hergestellt. Dabei lernte ich Villa richtig kennen, denn wir liefen durch jeden Winkel des Dorfes um unsere Brownies an den Mann zu bringen und vor allem auch bekanntzumachen. Wenn mal jemand von den Hauseltern nicht da war, dann sprangen wir Freiwilligen ein und bekochten und bespaßten die Kinder einen Tag lang. Dabei lernte ich auch typisch bolivianische Kochgewohnheiten kennen, wie zum Beispiel Reis vor dem Kochen zu frittieren. Damit wir in Zukunft unser Gemüse nicht mehr kaufen würden müssen, legten wir uns einige Gemüsegärten an. Dort verbrachte ich einige Zeit und war mit Umgraben, Säen, Unkraut zupfen und Bewässern beschäftigt. Ich würde von mir behaupten, dass ich mir in diesem Jahr einige bolivianische Gepflogenheiten angewöhnt habe. Manchmal kann die Arbeit eben auch mit einer Pause zum Quatschen beginnen, wenn danach dafür umso härter gearbeitet wird.
Warum ich eigentlich in ein Kinderdorf gegangen bin, wurde ich manchmal gefragt. Antworten darauf gibt es viele, doch gerade bei der Aufgabe Hintergrundberichte für die Paten unserer Kinder zu schreiben, wurde es mir immer klar vor Augen geführt. Ich wollte etwas Sinnvolles tun. Und sich mit den Geschichten der Kinder auseinanderzusetzen, hat mich wirklich geprägt in diesem Jahr. Es hat mir das so Offensichtliche, die Unterschiede, in der Welt noch einmal ganz greifbar vor Augen geführt.
Als die Schulferien gekommen waren, stand für mich ein Rollenwechsel zum Lehrer auf dem Plan, denn die Grundschüler, mit denen ich Matheunterricht machte, durften ja schließlich nichts vergessen in den zwei Wochen. So übten wir in diesen Tagen Nachmittag für Nachmittag die Grundrechenarten.
Auf der anderen Seite der Welt – da befand ich mich tatsächlich. Auf einem anderen Kontinent, kurz gesagt in einem anderen Leben. Doch jetzt mit ein bisschen Abstand, kann man sagen, dass Fremdes heimisch wird und Heimisches fremd. War es mir am Anfang noch ungewohnt, mit einem Motorradtaxi nach Hause zu fahren, war es irgendwann das Normalste der Welt. Und ob Sie uns nicht auch für 15 Bolivianos fahren würden, weil wir ja zu zweit wären?
Mit der Zeit lernte ich mein Bolivien lieben wie kaum ein anderes Land, in dem ich bisher war. Es gab nur eine Sache, die mich wirklich störte… und zwar der Müll. Müll, der wirklich überall herumlag. Und um den sich keiner kümmerte. Genau da wollte ich ansetzen und plante mein Müllprojekt. Einen Kompost würden wir bauen, damit wir den Biomüll weiternutzen können und damit die Kinder lernen, was aus verrotteten Tomaten- und Gurkenschalen noch alles entstehen kann. Neben dem Kompost würde eine Müllverbrennungsanlage entstehen, die für die Situation vor Ort leider noch immer die beste Lösung ist, weil ja niemand vorbeikommt, um den Müll abzuholen. Dann lieber kontrolliert und zentral verbrennen, dachte ich mir. Gesagt, getan und mit Hilfe von ADRA wurde das Projekt umgesetzt.
Mir ist jetzt erst bewusst geworden, wie dankbar ich geworden bin für all das, was ich in Bolivien erlebt habe. Wie sich mein leerer Satz mit Freunden und Erinnerungen füllte. Daher war es auch wirklich schwer Abschied zu nehmen und fürs Erste „Hasta luego bolivia“ zu sagen.
Kommentare deaktiviert für Auf der anderen Seite der WeltEin Bericht der ADRA „weltwärts“-Freiwilligen Ingrid über ihre bisherigen Erfahrungen in Bolivien
Worte, die nach 3 Monaten „Einsatzzeit“ hier im Kinderheim Sión (auf deutsch: Zion), in der Nähe der Großstadt Sta. Cruz de La Sierra, schon manchmal einen bitteren Beigeschmack bekommen können, wenn man das Gefühl hat, ständig nur am Schimpfen zu sein, aber genau diese 3 Worte bedeuten inzwischen eigentlich nichts anderes für mich. Es ist mein Zuhause – und wenn es „nur“ für ein Jahr ist. Natürlich ist es nie einfach mit schwer erziehbaren Kindern, die in ihrem jungen Alter schon auf der Straße gelebt haben, in einem kleinen Heim zusammenzuleben, ob man jetzt etwas Soziales gelernt hat oder nicht. Und es ist wie in einer richtigen Familie – man kann nicht einfach gehen, wenn man mal keine Lust hat oder schlechte Laune. Die Herausforderungen sind jeden Tag andere und manchmal so kompliziert, dass man an vielen Tagen am liebsten das Handtuch werfen möchte und sich schon manchmal fragt, „Warum mach ich das ganze hier eigentlich?“ oder „Welchen Sinn hat das, die Kinder wollen doch gar nichts lernen?“ Doch genau dann kommen oft die Stunden oder manchmal sind es sogar nur Momente, die einem zeigen oder die ausreichen, um genau zu wissen, warum man hier ist.
Nach 3 Monaten habe ich das Gefühl, als hätte ich in meinem Leben nichts anderes gemacht und als wäre man schon eine Ewigkeit hier. Die Kinder sind mir bereits so ans Herz gewachsen, dass ich mich plötzlich von „meinen“ Kindern reden höre. Und oft ist es so, dass mit einem Lächeln, einer Umarmung oder einem kleinen Kindergebet spätestens am Abend alles wieder gut ist und man zwar oft todmüde ins Bett fällt, aber dann mit einem Gedanken der Zufriedenheit, dass man den Kindern das geben konnte, wozu ihre eigenen Eltern im Moment oder gar nicht fähig sind. Liebe, Zuneigung und Aufmerksamkeit. Auch wenn sie es jetzt vielleicht noch nicht wertschätzen – vielleicht werden sie es sogar nie tun, aber das ist nicht wichtig und schon gar nicht der Grund warum ich hier hergekommen bin.
Ich bin hier, um mich von Gott gebrauchen zu lassen, zu helfen, zu unterstützen, das weiter zu geben, was ich von ihm bekommen habe, so gut ich es eben kann, auch wenn es oft bedeutet Opfer zu bringen oder Dinge zu akzeptieren, die man einfach (noch) nicht versteht. Und wenn ich jetzt nach „so kurzer Zeit“ zurückblicke, habe ich das Gefühl, dass nicht nur die Kinder etwas von mir lernen können sondern in erster Linie ich selbst diejenige bin, die eine ganze Menge dazugelernt hat und noch mitten dabei ist, zu lernen. Die Erfahrungen gehen nie aus, wenn man sich darauf einlässt. Flexibilität ist in der bolivianischen Kultur eine besonders wichtige, lernenswerte Eigenschaft, um nicht völlig verrückt zu werden. Doch das ist nur eines der Beispiele, die eine Zusammenkunft dieser zwei unterschiedlichen Kulturen mit sich bringt. Dennoch ist es einer der schönsten Orte, die ich mir im Moment vorstellen kann – und wem würde es nicht gefallen in einem Land zu leben, was immer grün und warm ist und die Mangos an der Straße wachsen?! 🙂
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