Ein Bericht der ADRA “weltwärts”-Freiwilligen Rebecca über Ihre Lehrtätigkeit an der Universität Linda Vista in Mexiko.
„Und, was denkst du über Mexiko?“ – das ist eine Frage, die mir hier schon sehr häufig gestellt wurde und diese Frage ist gar nicht mal so leicht zu beantworten. Als ich erfahren habe, dass ADRA mich ausgewählt hat, meinen Freiwilligendienst in Mexiko abzuleisten, wusste ich zugegebenermaßen nicht besonders viel über dieses Land. Mexiko – was denke ich über Mexiko? Ich lasse meine Gedanken schweifen und früher oder später werden wohl viele, genauso wie ich vor meiner Abreise, an den Schlagzeilen der Zeitungen hängen bleiben:
„Elf Tote bei Drogenkrieg in Mexiko“, „Der lange Arm der Gewalt reicht bis zu uns“, „Hungrig, verwahrlost, zum Betteln gezwungen“, „Polizei entdeckt 800 Meter langen Drogentunnel“, „Ein Land aus dem Lot“
Ein Jahr in einem Entwicklungsland leben und arbeiten, in welchem Themen wie Drogenkriege, Gewalt, Korruption, Armut und Ungerechtigkeit nicht nur als schwarze Druckbuchstaben auf einem Zeitungspapier zu lesen sind, sondern Realität des täglichen Lebens sind. Eine Herausforderung? – Mit Sicherheit. Ein Abenteuer? – Keine Frage. Doch was genau würde uns erwarten in dem Land, das uns bisher nur als Fleck auf einer Weltkarte, aus Nachrichten und Zeitungsartikeln bekannt war?
Mexiko, Chiapas, Universität Linda Vista – der Ort, den ich nun schon seit fast einem halben Jahr mein Zuhause nennen darf. Ein behüteter, grüner Campus mitten in den Bergen, bei dem die Auswirkungen der Schlagzeilen erst einmal weit entfernt scheinen. Mein geregeltes und geordnetes Schülerleben habe ich nun gegen einen leicht chaotischen und spontanen Alltag auf einem Uni-Gelände eingetauscht, meine gewohnte Alltagssprache Deutsch gegen Spanisch und Englisch, mein morgentliches Müsli gegen ein paar Bohnen und Tortillas, Europa gegen Lateinamerika, Euro gegen mexikanische Pesos, deutsche Autobahnen gegen schlechte und kurvige Straßen in den Bergen, die Amseln auf meinem Dach gegen ein paar Kolibris vor meinem Klassenzimmerfenster … UND: meine Rolle als Schülerin gegen die als Lehrerin – eine 180° Wendung! Und zwar nicht nur deshalb, weil ich nun plötzlich auf der anderen Seite des Klassenzimmers an der Tafel stehe und nicht mehr, wie all die Jahre zuvor, auf einem Stuhl hinter meinem Tisch, als eine von vielen Schülern.
Als ich mich entschieden habe nach Mexiko zu gehen, wusste ich, dass sich in meinem Leben vieles verändern würde. Abenteuer und Herausforderungen würden auf mich warten und ja, auch eine große Umstellung meines bisher gewohnten Lebens. Wir Menschen sind doch oft so gestrickt, dass wir Angst vor Veränderungen haben, da das Gewohnte uns ein Gefühl von Sicherheit gibt. Doch ich wollte in diesem Jahr genau das nicht in all den Änderungen sehen – Angst. Sondern im Gegenteil, in jedem dieser 365 Tage steckt eine neue Chance. Eine Chance zu lernen und Herausforderungen anzunehmen, statt daran zu verzweifeln, über sich selbst hinauszuwachsen, etwas Neues entdecken und erleben, Erfahrungen fürs Leben sammeln und jeden Tag aufs Neue versuchen, mit Gottes Hilfe sein Bestes zu geben.
Obwohl sich mit meiner Entscheidung ins Ausland zu gehen, viele Dinge in meinem Leben verändert haben, ist mir doch eine Sache geblieben: die Schule. Als frisch gebackene Abiturientin steige ich in den Flieger, steige wieder aus und befinde mich wieder an einer Schule, nur diesmal als Lehrerin. Wer hätte gedacht, dass das so schnell gehen könnte? Auf der Universität Linda Vista unterrichte ich Englisch in der Mittel- und Oberstufe sowie in den Studentenklassen und separat gebe ich einen kleinen Deutschkurs. Ich habe nie ein Lehramt-Studium abgeschlossen und mein Wissen für das Fach Englisch beschränkt sich lediglich auf das, was ich selbst in meiner Schulzeit gelernt habe. Klingt also nicht nur nach einer unheimlichen Herausforderung, sondern ist es auch. Viele Herausforderungen neigen oft dazu, sich in Überforderungen zu verwandeln. Man hat das Gefühl man geht einen Schritt nach vorne und zwei wieder zurück – die Schüler wollen doch überhaupt nichts lernen! Doch wenn man mit den großen Dingen überfordert ist, muss man sich an die kleinen Dinge erinnern und diese anpacken. Ich erinnere mich daran, meinen Fokus nicht auf ein Jahr zu legen, sondern auf jeden einzelnen Tag dieser 365 Tage und auf die Chancen und Möglichkeiten, die dieser Tag bietet. Die Möglichkeit, das was du tust mit Liebe und Freude zu füllen, jeden Tag zu etwas Besonderem zu machen, egal wie groß die Herausforderungen sind. Man nimmt sich so viele Dinge für dieses Jahr vor, man möchte helfen und etwas bewirken, denn dafür bin ich schließlich hier. Und oft ist man dann enttäuscht, wenn man merkt, dass man nicht so viel tun und helfen kann, wie man gerne möchte. You cannot help everyone, but everyone can help someone. Dabei kommt es nicht darauf an, was oder wie viel du tust, sondern wie du es tust. Und wenn du nur einen Hauch im Leben eines einzelnen Menschen veränderst, so ist es das wert. Denn manchmal sind es die Kleinigkeiten, die den großen Unterschied machen!
“Do everything with so much love in your heart that you would never want to do it any other way.”
0 Kommentare »Ein Bericht der ADRA “weltwärts”-Freiwilligen Hannah Luise über ihre bisherigen Erfahrungen in Kenia.
Afrika, Kenia, Kajiado. Das Mädchenheim und die Schule für Massai-Mädchen. Ich versuche zu verstehen und zu akzeptieren, jeden Tag ein bisschen mehr – mit Sprüngen zurück und Schritten nach vorne.
Vor vier Monaten wurde ich von über 120 Mädchen in Kenia begrüßt, über 200 Hände haben sich in meinen Haaren vergraben und fasziniert meine Haut berührt und es brauchte nicht lange, da hatte ich über 120 Herzen in mein eigenes geschlossen.
Es ist ein Einlassen, ein wagen. Schon ist man nicht mehr nur noch die „Weiße in der Bibliothek“ und die Lehrerin mit den neuen Spielideen und den komischen neuen deutschen Worten. Lässt man sich darauf ein, werden neue Grenzen und Weiten erfahren. Die verschiedensten Rollen werden eingenommen, je nachdem, wie sehr es die Mädchen zulassen. Ist es als Diskussionspartner, Trostspender, stiller Zuhörer, Pflaster-Verteiler, Gebetspartner, Gute-Nacht-Geschichten-Erzähler oder Komiker. Wenn ich eine Geschichte vorlese und in strahlende Mädchenaugen schaue, wenn sie begeistert in die Hände klatschen bei einem neuen Kisuaheli-Wort von mir, wenn sie mir mit einem breiten Lächeln im Gesicht in die Arme laufen oder wenn sie sich an meine Schulter lehnen und flüstern „ich lieb‘ dich“. Das sind Momente, in denen mir immer wieder bewusst wird, warum ich hier bin. Momente, die mir zeigen, dass ich hier am richtigen Ort, zur richtigen Zeit bin und dass ich die Möglichkeit habe die Liebe, die ich erfahren durfte, weiterzugeben. Jedes einzelne Lächeln und Strahlen in den Augen ist wertvoll und so unendlich kostbar! Es beweist Hoffnung und Zuversicht!
Nicht immer ist es mir bewusst, dass es nicht einfach Mädchen sind, die von ihrer Familie zur Grundschule geschickt wurden, nein. Jedes Mädchen hat seine eigene, prägende Geschichte mit sich zu tragen. Eine Geschichte, die es verfolgt. Verheiratet mit einem 80-jährigen Mann, beschnitten, ein Baby bekommen, obwohl selbst noch Kind – das ist nur eine der vielen Geschichten, die mir hier begegnen. Geschichten, die weitreichend sind und mit denen die Mädchen versuchen, zurecht zu kommen. Aber nun sind sie hier, sitzen in ihrem Klassenraum, lesen intensiv in ihren Büchern und arbeiten hart. Es ist die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, die sie antreibt – die Zuversicht, dass es einmal besser werden kann. Und ich darf sie auf einem kleinen Teil dieser Strecke begleiten.
Das Leuchten in den Augen und der Blick auf die Zukunft, dafür lohnt es sich zu kämpfen, dafür lohnt es sich zu hoffen!
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