Ein Bericht der Freiwilligen Rebecca, die für die Mädchen im „Rehabilitation & Education Centre“ in Kajidao mehr als nur Lehrerin ist.
Ganz ohne Erwartungen ging meine Reise nach Kenia, einem Land von dem ich höchstens aus dem Internet gelesen und von verschiedenen Personen gehört hatte. Offen für alles, was geschehen könnte, kamen wir in unserem neuen Zuhause an. Dort wurden wir sehr freundlich empfangen und mit der kleinen Stadt Kajiado schnell bekannt gemacht, sodass wir uns schnell heimisch fühlten.
Kenia ist ein sehr abwechslungsreiches Land und reicht von den Steppen der Massai über die Hochhäuser Nairobis bis hin zu saftig grünen Tälern im Westen des Landes. Aber egal in welchem Teil Kenias man sich befindet, die Menschen begegnen einem überaus freundlich und hilfsbereit. Unser Projekt „Rehabilitation & Education Centre“ befindet sich im Süden des Landes im Gebiet der Massai. Unser Projekt hat es sich zur Aufgabe gemacht, junge Mädchen aus zu frühen Ehen und vor Genitalverstümmelung zu retten, ihnen eine Möglichkeit auf Schulbildung und ein zu Hause zu geben, um sie anschließend als selbständige, starke Frauen in die Welt zu entlassen.
Zu dem „Rescue Centre“ gehört ebenfalls eine „Primary School“ von den Klassenstufen eins bis acht, während der Schulzeit befinden sich deshalb mehr Schüler auf dem Gelände. Rund 130 Mädchen und etwa 12 Jungen besuchen hier die Schule. Meine Mitfreiwillige und ich unterrichten die Klassenstufen vier bis sieben in Deutsch, Sport, Musik, Kunst und Lifeskills.
Vor ein paar Wochen habe ich die Schulbank selbst noch gedrückt und ganz plötzlich steht man selbst als Lehrer vor den Klassen, das ist ein tolles Gefühl. Der Unterricht in meinen Klassen besteht nicht nur aus stupidem Lernen, denn das müssen die Schüler schon den ganzen Tag. Die Stunden, die ich übernehme, sollen abwechslungsreich und spannend sein. Da meine Schüler sehr wissbegierig sind, lernen sie Deutsch mit Eifer und begrüßen einen auch schon mal mit einem „guten Morgen“. Als Ausgleich für das Sitzen im Klassenzimmer gehen wir auch gerne raus oder ich bringe ihnen deutsche oder englische Lieder bei, die sie mit viel Talent lernen und singen. Ich versuche den Mädchen beizubringen, Vertrauen in sich selbst und in ihr Können zu haben, damit sie in ihrem Leben noch weit kommen und niemals aufgeben.
Ich persönlich sehe meine Hauptaufgabe hier in Kenia nicht „nur“ als Lehrer. Wir sind Schwestern für die Mädels und Jungs, sind Ansprechpartner und Vertraute. Zunächst dachte ich, dass es schwer werden könnte, den Schülern ein Lehrer und gleichzeitig ein Freund zu sein. Doch es ist einfacher als gedacht und wir werden als Lehrer dennoch respektiert. Insgesamt sind unsere Aufgaben sehr vielseitig: Wir sind Seelsorger, Lehrer, Schwester, Mutter, Koch, Organisator, Helfer und Unterstützer in jeglicher Hinsicht.
Es ist wie eine große Familie mit vielen Kindern und wir können dazu beitragen, dass jeder gehört wird. Wenn man die Kinder herumflitzen sieht oder singen hört, vergisst man schnell, welch traurige und teils traumatische Erfahrungen die Mädchen bereits machen mussten. Es ist bewundernswert, wie stark sie sind und uns liegt viel daran, sie immer wieder daran zu erinnern, wie wertvoll sie sind, damit sie ihren Platz in der Gesellschaft finden.
Ich lerne hier auf eine ganz neue Art und Weise zu leben. Durch die vielen Menschen, die man kennenlernt, lernt man sehr viel über die Kultur in dem Land, in dem man sich befindet. Hartes Arbeiten bis zum Umfallen, zu wenig Lohn und viele Kinder sind hier zum Teil der Grundstock der Armut. Und trotzdem werde ich nie damit aufhören zu sagen, die Menschen hier haben es gut. Ich habe noch nirgends solch eine ehrliche Nachbarschaftshilfe, Freundlichkeit, Entgegenkommen, Liebe und Glauben gesehen. Die Menschen hier haben viele Schwierigkeiten. Doch das macht sie stark und reich an Erfahrungen. Ich bin froh, diese Erfahrungen dieses Jahr auch machen zu dürfen. In einer Hütte aus Kuhdung zu schlafen, kein fließendes Wasser zu haben und eine Latrine zu besuchen mindert vielleicht den Luxus des Lebens, aber niemals die Qualität!
Ich lerne hier ebenfalls, auf eine ganz neue Art und Weise gesehen zu werden. Zunächst sehen dich die Menschen hier auf der Straße nicht als eine eigene individuelle Persönlichkeit, sondern du bist zunächst einmal Mzungu = weißer Mensch = viel Geld. Egal wohin man geht, man wird gesehen, man wird beobachtet, gegrüßt, angefasst. Denn wir sind anders und ungewohnt. Mein Anliegen ist es jeden Tag aufs Neue, den Menschen zu zeigen, dass wir alle gleich sind und doch alle verschieden. Gewisse Vorurteile und Verallgemeinerungen müssen aus der Welt geschafft werden.
Ich habe dieses Land und die Leute lieben gelernt. Für mich wird Kenia immer ein zweites Zuhause mit tollen Menschen, toller Gemeinschaft, wunderschöner Natur und Vielfalt bleiben.
0 Kommentare »Ein Bericht der Freiwilligen Rahel über ihre Arbeit im „Rehabilitation & Education Center“ Kaijado.
Am 5. August kamen wir von Abenteuerlust gepackt in Nairobi an. Nachdem wir unser Touristenvisum bekommen hatten, fuhren wir zusammen mit den Leitern in unser neues Zuhause, wo wir herzlichst empfangen wurden! Die Mädels, die auch über die Ferien im „Rehabilitation & Education Centre“ geblieben sind und die anderen gefühlt 10.000 Menschen, die wir an den ersten Tagen kennengelernt haben, waren so freundlich, aufgeschlossen und witzig, dass ich mich von Beginn an sehr wohl gefühlt habe. Die nächsten Wochen hatten wir Zeit, uns einzuleben, bevor es mit unserer Hauptarbeit losging.
Ab unserer vierten Woche wurde es besonders spannend, denn ich begann meine Fähigkeiten als „Teacher-Rahel“ auszutesten. Wir haben unsere Unterrichtsstunden so aufgeteilt, dass jeder zwölf in zwei verschiedenen Klassen pro Woche unterrichten kann. Oft wird es allerdings doch mehr, da ich viele Stunden spontan übernehme. Ich unterrichtete die Schüler in Deutsch, Musik, Sport, Kunst und etwas Geographie. Dies bereitet mir stets viel Freude, denn die Schüler (natürlich immer mit einigen Ausnahmen) sind sehr wissbegierig und lernen schnell. Wenn ich „frei“ habe, wird es trotzdem nie langweilig, da unsere Aufgaben sehr vielfältig sind und es immer etwas zu tun gibt. Neben dem Unterrichten, verbringe ich noch viel Zeit auf dem Feld, in der Küche oder helfe der Direktorin im Office.
Auch unsere Essgewohnheiten haben sich in den drei Monaten sehr verändert. Die ersten Tage haben wir von dem nach nichts schmeckendem Ugali kaum etwas herunter bekommen, vor allem, da das Verhältnis zum Gemüse für uns falsch erschien (ein riesen Teller Ugali, mit nur einem kleinen Klecks Kraut). Mittlerweile lieben wir es aber beide sehr, ebenso wie Githerie, eine Mischung aus Reis und Bohnen. Außerdem sind wir nach viel Übung richtige Profis im Chapati machen. Sie sind ähnlich wie Pfannkuchen und schmecken richtig gut!
0 Kommentare »Ein Bericht der ADRA “weltwärts”-Freiwilligen Hannah Luise über ihre bisherigen Erfahrungen in Kenia.
Afrika, Kenia, Kajiado. Das Mädchenheim und die Schule für Massai-Mädchen. Ich versuche zu verstehen und zu akzeptieren, jeden Tag ein bisschen mehr – mit Sprüngen zurück und Schritten nach vorne.
Vor vier Monaten wurde ich von über 120 Mädchen in Kenia begrüßt, über 200 Hände haben sich in meinen Haaren vergraben und fasziniert meine Haut berührt und es brauchte nicht lange, da hatte ich über 120 Herzen in mein eigenes geschlossen.
Es ist ein Einlassen, ein wagen. Schon ist man nicht mehr nur noch die „Weiße in der Bibliothek“ und die Lehrerin mit den neuen Spielideen und den komischen neuen deutschen Worten. Lässt man sich darauf ein, werden neue Grenzen und Weiten erfahren. Die verschiedensten Rollen werden eingenommen, je nachdem, wie sehr es die Mädchen zulassen. Ist es als Diskussionspartner, Trostspender, stiller Zuhörer, Pflaster-Verteiler, Gebetspartner, Gute-Nacht-Geschichten-Erzähler oder Komiker. Wenn ich eine Geschichte vorlese und in strahlende Mädchenaugen schaue, wenn sie begeistert in die Hände klatschen bei einem neuen Kisuaheli-Wort von mir, wenn sie mir mit einem breiten Lächeln im Gesicht in die Arme laufen oder wenn sie sich an meine Schulter lehnen und flüstern „ich lieb‘ dich“. Das sind Momente, in denen mir immer wieder bewusst wird, warum ich hier bin. Momente, die mir zeigen, dass ich hier am richtigen Ort, zur richtigen Zeit bin und dass ich die Möglichkeit habe die Liebe, die ich erfahren durfte, weiterzugeben. Jedes einzelne Lächeln und Strahlen in den Augen ist wertvoll und so unendlich kostbar! Es beweist Hoffnung und Zuversicht!
Nicht immer ist es mir bewusst, dass es nicht einfach Mädchen sind, die von ihrer Familie zur Grundschule geschickt wurden, nein. Jedes Mädchen hat seine eigene, prägende Geschichte mit sich zu tragen. Eine Geschichte, die es verfolgt. Verheiratet mit einem 80-jährigen Mann, beschnitten, ein Baby bekommen, obwohl selbst noch Kind – das ist nur eine der vielen Geschichten, die mir hier begegnen. Geschichten, die weitreichend sind und mit denen die Mädchen versuchen, zurecht zu kommen. Aber nun sind sie hier, sitzen in ihrem Klassenraum, lesen intensiv in ihren Büchern und arbeiten hart. Es ist die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, die sie antreibt – die Zuversicht, dass es einmal besser werden kann. Und ich darf sie auf einem kleinen Teil dieser Strecke begleiten.
Das Leuchten in den Augen und der Blick auf die Zukunft, dafür lohnt es sich zu kämpfen, dafür lohnt es sich zu hoffen!
0 Kommentare »Ein Bericht der ADRA-„weltwärts“-Freiwilligen Sabrina und Jhana
Stell dir vor, es ist Hochsommer, die Sonne strahlt dir ins Gesicht und vor dir liegt ein glasklarer, kalter See, indem sich die Sonnenstrahlen spiegeln. Da muss man doch rein oder? Zuerst tippst du vorsichtig mit deinem großen Zeh auf die Wasseroberfläche, man muss ja schließlich testen, auf was man sich da einlässt und wie kalt das Wasser wirklich ist – und ja, es ist kalt! Bevor du es dir anders überlegen kannst, nimmst du Anlauf und rennst in das kühle Nass. Kennst du das Gefühl, wenn es dich beim Auftauchen schüttelt vor Kälte – das Wasser ist doch kälter als erwartet.
Im übertragenen Sinne ging es uns beiden Freiwilligen genau so. Durch die Intensivwochenenden, das Ausreiseseminar und die Patenschaften der ehemaligen Freiwilligen wurden wir von ADRA schon ganz gut auf das Jahr in Kenia vorbereitet. Dann wurden die Koffer gepackt, der Flug gebucht, Freunde und Familie verabschiedet und nach einem halben Jahr Vorbereitungsphase ging es endlich los. Unser großer Zeh hatte schon ein wenig kühles Nass gespürt.
Dann kam der große Tag der Abreise:
Frankfurt, 6.00 Uhr früh: Wir sitzen im Flugzeug. Von Müdigkeit ist nichts zu spüren – so groß ist die Aufregung auf das, was uns im nächsten Jahr erwarten wird. Nach einem Zwischenstopp in Hannover und der Schweiz wird es ernst: nächster Stopp – Nairobi. Um 18.10 Uhr hat uns dann die Erde wieder. Der Sprung ins kalte Wasser ist geglückt. Das Auftauchen erfolgt noch an selben Abend, als wir bemerkten, dass hier in Kenya alles anders ist.
Wir möchten von einem kurzen Erlebnis erzählen. Es beschreibt am besten, dass der Sprung ins Wasser immer kalt ist, auch wenn man vorbereitet wurde. Es war der erste Morgen, an dem wir unseren Unterricht starten sollten. Nach einer kurzen Begrüßung, Singen und einer Andacht wurde die Schule offiziell eröffnet und unsere Vorstellung als Madam Sabrina und Madam Jhana folgte.
Da unser Unterricht erst in der zweiten Stunde begann, hatten wir noch ein wenig Zeit. So gingen wir in die Bibliothek und arbeiteten. Pünktlich zum Unterrichtsbeginn, wie wir es eben gewohnt sind, standen wir vor den Türen unserer Klassen. Dort mussten wir allerdings feststellen, dass die Unterrichtsstunde eines anderen Lehrers noch in vollem Gange war. Gut, dachten wir, die Schule hatte sowie später angefangen- Afrika halt.
So setzten wir uns neben den Wassertank, in der Hoffnung, es würde bald klingeln und die Lehrer unsere Klassen verlassen. Nach 15 Minuten Wartezeit schwand diese Hoffnung dann langsam. Nach weiteren 5 Minuten setzte eine gewisse Verwirrung ein. Bald darauf suchten wir Jacintah – unsere Ansprechpartnerin – in ihrem Büro auf, um sie zu fragen, warum die Lehrer nicht aus den Räumen kamen oder es nicht wenigstens klingelte. Wir ernteten ein Schmunzeln. Jasintah meinte nur, in Afrika sei das anders. Wir könnten einfach zu unserer Zeit in die Klasse gehen. Dann würde der andere Lehrer merken, dass seine Zeit vorbei sei.
Nach einigen Anfangsschwierigkeiten und Verwechslungen haben wir uns nun an das Unterrichten hier in Kajiado gewöhnt und gelernt, unser deutsches Denken von Klassen und Unterricht zurückzustellen und uns auf die Gebräuche Afrikas mit einer völlig anderen Kultur und einer völlig anderen Sprache einzulassen. Wir sind uns sicher, dass Gott uns Menschen zur Seite stellt, die mit ihrer Herzenswärme, den Sprung ins kalte Wasser ein bisschen erwärmen.
Außerdem lassen kleine Mädchenarme, die dich fest drücken und leuchtende Augen schnell vergessen, wie kalt das Wasser zu Beginn und an manchen Stellen sein kann.
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0 Kommentare »Ein Bericht der ADRA „weltwärts“-Freiwilligen Charlene
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Ein Jahr lang habe ich für das „Adventist Education and Rehabilitation Centre“ in Kajiado und die 105 Mädchen dort gearbeitet. Der Arbeitsbereich war sehr umfangreich, morgens und nachmittags unterrichtete ich die Mädchen in Deutsch, Life Skills und der Computerarbeit, erledigte Büroarbeiten und assistierte den anderen Lehrern. Während den Pausen spielte ich mit den Schülern oder redete mit ihnen über Neuigkeiten und persönliche Sorgen. Nach der Schule ging es dann weiter mit Fuß-, Volley- und Netball. Nebenbei putzte ich mit ihnen, räumte auf, schloss die Klassenzimmer auf und zu und nähte zerrissene Kleider. Abends besuchte ich sie ab und zu bei ihren Vorbereitungen für die Schule oder beim Essen.
Jederzeit war ich für die Mädchen da, ob sie ein Pflaster brauchten, über ihr Zuhause oder Probleme in der Schule reden wollten, neugierige Fragen über fremde Länder hatten, oder einfach nur in den Arm genommen werden wollten.
Am Anfang war es schwierig all ihre Namen zu lernen und sie auseinander zu halten. Doch nach und nach lernte ich nicht nur ihre Namen, sondern auch ihre Eigenheiten, ihre Kultur, ihre Sprache und ihre ganz persönliche Geschichte kennen. Genitalbeschneidung, frühe Verheiratung, Armut und Gewalt haben die Mädchen aus ihrem Heimatort im Busch zum Rescue Centre in Kajiado geführt. Meist wurden sie nach den schrecklichen Ereignissen gerettet, einige Male aber auch kurz davor. Manchmal sind sie alleine dort, manchmal mit ihrer Schwester oder Cousine. Einige unter ihnen haben schon ein Kind, auch wenn man es ihnen nicht ansieht. Wenn man sie im Chor singen sieht oder beim Fussballspielen, scheint die Vergangenheit so fern zu sein. Doch dann gibt es Momente, in denen die Mädchen traurig sind, sich alleine fühlen. Was die Kinder ganz besonders brauchen ist Liebe. Daher versuchte ich während meines Aufenthalts, ihnen eine große Schwester zu sein.
Hier noch zwei Geschichten, die ich in der Mädchenschule erlebte und die mich stark bewegt haben.
Naomi: Hochzeit als letzter Ausweg?
Ich sitze im Gottesdienst und lausche dem Mädchenchor. Alle tragen dieselbe Uniform und doch sind sie so verschieden. Ausdrucksstark beginnt eine Frau in afrikanischer Tracht, den Kindern eine Geschichte zu erzählen. Ich kann ihr nicht zuhören, denn in meine Gedanken drängen sich ganz andere Geschichten – die Geschichten der Mädchen. Ich sehe Naomi vorne stehen mit dem Rücken zu mir in ihrem blauen Gottesdienstkleid. Ihre Mutter starb früh, beschnitten wurde sie im Alter von acht Jahren. Auf Grund einer Dürre verlor ihr Vater viele Kühe und schuldete daher seinem Kuhhirten Geld. Die einzige Lösung als Gegenleistung, schien seine neunjährige Tochter Naomi zu sein. Kurz nach der Hochzeit vergewaltigte der neue Ehemann die neunjährige Naomi mehrmals, bis sie wegen starken Blutungen ins Krankenhaus musste. Naomi erzählte es einer Krankenschwester. Nach ihrer Entlassung suchte dann das Jugendamt Naomi im Buschland der Massai, um sie aus der Situation zu befreien. Naomi wurde gefunden und nach Kajiado in die Mädchenschule gebracht. Hier geht sie nun zur Schule und darf ihre Kindheit erleben. Sie ist jetzt 10 Jahre alt und geht in die 1. Klasse.
Catherine: Es gibt noch Hoffnung
Ich stehe mit Catherine unter unserem „Zahnbürstenbaum“ und wir bürsten uns mit einem präparierten kleinen Zweig unsere Zähne bis sie weiß glänzen. Ein kleines Flugzeug zieht einen weißen Streifen am Himmel. Das fasziniert Catherine. Sofort will sie alles über das Fliegen wissen. Ob es gefährlich ist, was man sehen kann, wie lange man nach Deutschland fliegt. Dann erzählt sie mir stolz und mit strahlenden Augen über ihr Massaidorf und die Massais. Vor sieben Jahren kam Catherine mit ihrer Schwester in die Mädchenschule und besucht jetzt die 8. Klasse, die Abschlussklasse. Während ihres gesamten Aufenthalts in der Mädchenschule ärgerte sich ihr Vater über diese Situation. Er wollte Catherine – als sie neun Jahre alt war – eigentlich an ihren Halbbruder verheiraten, einen Mörder. Doch die beiden Kinder fanden in der Mädchenschule Schutz und Zuflucht. Das gefiel dem Vater gar nicht. Doch eines Tages tauchte er in der Mädchenschule auf, ein Grinsen im Gesicht. Seine ausgeleierten Ohrläppchen wippten fröhlich mit, als er auf die Schule zuschritt. In seiner Hand hielt er ein Brot, als Geschenk für die Leiterin der Mädchenschule. Der Grund seiner Reise: Er wollte Frieden schließen: Frieden mit sich, der Leiterin und seinen beiden Töchtern. Voller Stolz erzählt er nun in seinem Dorf von seinen Töchtern, die schon so weit in der Schule gekommen sind und jetzt kurz vor dem Abschluss stehen. Ein Lachen – ein Lachen der Erleichterung auf beiden Seiten.
0 Kommentare »Ein Bericht der ADRA-„weltwärts“-Freiwilligen Natascha
Die letzten Monate, die ich in der Kajiado Mädchenschule in Kenia verbrachte, verflogen wie im Nu. Es hieß: arbeiten, arbeiten und nochmals arbeiten. Trotzdem kann ich zufrieden zurückschauen, denn wir konnten große Schritte für eine bessere Situation der Massai-Mädchen in der Umgebung machen – besonders im Hinblick auf FGM. Bei FGM handelt es sich um die sogenannte „Female Genital Mutilation“, die weibliche Genitalbeschneidung oder besser gesagt Genitalverstümmelung, denn von einer Frauenbeschneidung kann man hier wirklich nicht reden. Nicht nur die Genitalverstümmelung ist ein bekanntes Ritual unter den Massai.
In der Gegend, in der ich arbeitete, werden Mädchen oft wie Ware behandelt. Hat man(n) Schulden, wird die oft noch sehr junge Tochter an den Schuldner „verhökert“. Early Marriage und FGM liegen bei den Massai ganz eng beieinander. Bevor ein Mädchen verheiratet wird, wird sie in den meisten Stämmen beschnitten.
Viele der Mädchen fliehen vor der Genitalbeschneidung und der Zwangsehe mit einem oft viel älteren Mann. In der Kajiado Mädchenschule von ADRA finden sie Zuflucht. Wir hatten zum Beispiel ein Mädchen bei uns, das etwa 10 Jahre alt war. Sie wurde mit acht oder neun Jahren verheiratet und monatelang von ihrem sogenannten Ehemann vergewaltigt. Als sie irgendwann nicht mehr aufhörte zu bluten, wurde sie in ein Krankenhaus gebracht. Der Arzt registrierte was los war und zeigte den Ehemann an. Aus Angst vor gesetzlichen Strafen wurde das Mädchen einfach aus dem Krankenhaus verschleppt. Zwei Monate verflogen, bis man die Kleine irgendwo im Nirgendwo fand.
In der Mädchenschule in Kajiado haben wir Workshops über FGM und Early Marriage für die Chiefs der Region gestartet, denn ohne ihre Hilfe sind uns die Hände gebunden. Leider sind die Chiefs nicht immer offen für die Thematik. In den letzten Monaten meiner Arbeit hatten wir ein Mädchen im Internat, das von Zuhause weggelaufen war, weil man sie verheiraten wollte. Sie wendete sich an den örtlichen Chief. Die Folge: Vergewaltigung und eine ungewollte Schwangerschaft. Durch die Korruption und die richtigen Beziehungen ist es in diesem Fall schwierig, Gerechtigkeit einzufordern, obwohl der größte Beweis das Baby ist. Es ist einfach verrückt. Dennoch brauchen wir die Chiefs, damit das Gesetz auf unserer Seite steht. Nach den Chiefs schulten wir auch die Mädchen in der Umgebung. Die persönlichen Gespräche mit den Mädchen, nach den Workshops, werde ich nie vergessen.
Folgenden Fragen musste ich mich stellen:
Es ist ein Prozess und ein langsames Umdenken bei den Chiefs, den Eltern und den Mädchen. Eine Tradition die Jahrzehnte angehalten hat, kann nicht von heute auf morgen durchbrochen werden, auch wenn die Argumente stichhaltig sind. Die Arbeit, die in der Kajiado Mädchenschule geleistet wird, nennt man wohl zurecht Entwicklungszusammenarbeit!
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