ADRA Live! Jetzt bewerbenFlyer_InfomaterialJetzt spenden!ADRA LogoADRA Logo

Das Leben neu entdecken



Geschrieben am Montag, 20. Februar 2017 von ADRAlive-Team

Ein Bericht der Freiwilligen Rebecca, die für die Mädchen im „Rehabilitation & Education Centre“ in Kajidao mehr als nur Lehrerin ist.

Ganz ohne Erwartungen ging meine Reise nach Kenia, einem Land von dem ich höchstens aus dem Internet gelesen und von verschiedenen Personen gehört hatte. Offen für alles, was geschehen könnte, kamen wir in unserem neuen Zuhause an. Dort wurden wir sehr freundlich empfangen und mit der kleinen Stadt Kajiado schnell bekannt gemacht, sodass wir uns schnell heimisch fühlten.

Unser neues Umfeld

Kenia ist ein sehr abwechslungsreiches Land und reicht von den Steppen der Massai über die Hochhäuser Nairobis bis hin zu saftig grünen Tälern im Westen des Landes. Aber egal in welchem Teil Kenias man sich befindet, die Menschen begegnen einem überaus freundlich und hilfsbereit. Unser Projekt „Rehabilitation & Education Centre“ befindet sich im Süden des Landes im Gebiet der Massai. Unser Projekt hat es sich zur Aufgabe gemacht, junge Mädchen aus zu frühen Ehen und vor Genitalverstümmelung zu retten, ihnen eine Möglichkeit auf Schulbildung und ein zu Hause zu geben, um sie anschließend als selbständige, starke Frauen in die Welt zu entlassen.

Lernen, lachen, singen

Zu dem „Rescue Centre“ gehört ebenfalls eine „Primary School“ von den Klassenstufen eins bis acht, während der Schulzeit befinden sich deshalb mehr Schüler auf dem Gelände. Rund 130 Mädchen und etwa 12 Jungen besuchen hier die Schule. Meine Mitfreiwillige und ich unterrichten die Klassenstufen vier bis sieben in Deutsch, Sport, Musik, Kunst und Lifeskills.
Vor ein paar Wochen habe ich die Schulbank selbst noch gedrückt und ganz plötzlich steht man selbst als Lehrer vor den Klassen, das ist ein tolles Gefühl. Der Unterricht in meinen Klassen besteht nicht nur aus stupidem Lernen, denn das müssen die Schüler schon den ganzen Tag. Die Stunden, die ich übernehme, sollen abwechslungsreich und spannend sein. Da meine Schüler sehr wissbegierig sind, lernen sie Deutsch mit Eifer und begrüßen einen auch schon mal mit einem „guten Morgen“. Als Ausgleich für das Sitzen im Klassenzimmer gehen wir auch gerne raus oder ich bringe ihnen deutsche oder englische Lieder bei, die sie mit viel Talent lernen und singen. Ich versuche den Mädchen beizubringen, Vertrauen in sich selbst und in ihr Können zu haben, damit sie in ihrem Leben noch weit kommen und niemals aufgeben.

Viel mehr als Lehrer

Ich persönlich sehe meine Hauptaufgabe hier in Kenia nicht „nur“ als Lehrer. Wir sind Schwestern für die Mädels und Jungs, sind Ansprechpartner und Vertraute. Zunächst dachte ich, dass es schwer werden könnte, den Schülern ein Lehrer und gleichzeitig ein Freund zu sein. Doch es ist einfacher als gedacht und wir werden als Lehrer dennoch respektiert. Insgesamt sind unsere Aufgaben sehr vielseitig: Wir sind Seelsorger, Lehrer, Schwester, Mutter, Koch, Organisator, Helfer und Unterstützer in jeglicher Hinsicht.
Es ist wie eine große Familie mit vielen Kindern und wir können dazu beitragen, dass jeder gehört wird. Wenn man die Kinder herumflitzen sieht oder singen hört, vergisst man schnell, welch traurige und teils traumatische Erfahrungen die Mädchen bereits machen mussten. Es ist bewundernswert, wie stark sie sind und uns liegt viel daran, sie immer wieder daran zu erinnern, wie wertvoll sie sind, damit sie ihren Platz in der Gesellschaft finden.

Neu, anders, ungewohnt

Ich lerne hier auf eine ganz neue Art und Weise zu leben. Durch die vielen Menschen, die man kennenlernt, lernt man sehr viel über die Kultur in dem Land, in dem man sich befindet. Hartes Arbeiten bis zum Umfallen, zu wenig Lohn und viele Kinder sind hier zum Teil der Grundstock der Armut. Und trotzdem werde ich nie damit aufhören zu sagen, die Menschen hier haben es gut. Ich habe noch nirgends solch eine ehrliche Nachbarschaftshilfe, Freundlichkeit, Entgegenkommen, Liebe und Glauben gesehen. Die Menschen hier haben viele Schwierigkeiten. Doch das macht sie stark und reich an Erfahrungen. Ich bin froh, diese Erfahrungen dieses Jahr auch machen zu dürfen. In einer Hütte aus Kuhdung zu schlafen, kein fließendes Wasser zu haben und eine Latrine zu besuchen mindert vielleicht den Luxus des Lebens, aber niemals die Qualität!

Ich lerne hier ebenfalls, auf eine ganz neue Art und Weise gesehen zu werden. Zunächst sehen dich die Menschen hier auf der Straße nicht als eine eigene individuelle Persönlichkeit, sondern du bist zunächst einmal Mzungu = weißer Mensch = viel Geld. Egal wohin man geht, man wird gesehen, man wird beobachtet, gegrüßt, angefasst. Denn wir sind anders und ungewohnt. Mein Anliegen ist es jeden Tag aufs Neue, den Menschen zu zeigen, dass wir alle gleich sind und doch alle verschieden. Gewisse Vorurteile und Verallgemeinerungen müssen aus der Welt geschafft werden.

Ich habe dieses Land und die Leute lieben gelernt. Für mich wird Kenia immer ein zweites Zuhause mit tollen Menschen, toller Gemeinschaft, wunderschöner Natur und Vielfalt bleiben.

0 Kommentare »

Auf der Suche nach einer neuen Tradition



Geschrieben am Donnerstag, 22. September 2011 von "weltwärts"-Freiwilliger/em

Ein Bericht der ADRA-„weltwärts“-Freiwilligen Natascha

Die letzten Monate, die ich in der Kajiado Mädchenschule in Kenia verbrachte, verflogen wie im Nu. Es hieß: arbeiten, arbeiten und nochmals arbeiten. Trotzdem kann ich zufrieden zurückschauen, denn wir konnten große Schritte für eine bessere Situation der Massai-Mädchen in der Umgebung machen – besonders im Hinblick auf FGM. Bei FGM handelt es sich um die sogenannte „Female Genital Mutilation“, die weibliche Genitalbeschneidung oder besser gesagt Genitalverstümmelung, denn von einer Frauenbeschneidung kann man hier wirklich nicht reden. Nicht nur die Genitalverstümmelung ist ein bekanntes Ritual unter den Massai.

In der Gegend, in der ich arbeitete, werden Mädchen oft wie Ware behandelt. Hat man(n) Schulden, wird die oft noch sehr junge Tochter an den Schuldner „verhökert“. Early Marriage und FGM liegen bei den Massai ganz eng beieinander. Bevor ein Mädchen verheiratet wird, wird sie in den meisten Stämmen beschnitten.

Viele der Mädchen fliehen vor der Genitalbeschneidung und der Zwangsehe mit einem oft viel älteren Mann. In der Kajiado Mädchenschule von ADRA finden sie Zuflucht. Wir hatten zum Beispiel ein Mädchen bei uns, das etwa 10 Jahre alt war. Sie wurde mit acht oder neun Jahren verheiratet und monatelang von ihrem sogenannten Ehemann vergewaltigt. Als sie irgendwann nicht mehr aufhörte zu bluten, wurde sie in ein Krankenhaus gebracht. Der Arzt registrierte was los war und zeigte den Ehemann an. Aus Angst vor gesetzlichen Strafen wurde das Mädchen einfach aus dem Krankenhaus verschleppt. Zwei Monate verflogen, bis man die Kleine irgendwo im Nirgendwo fand.

In der Mädchenschule in Kajiado haben wir Workshops über FGM und Early Marriage für die Chiefs der Region gestartet, denn ohne ihre Hilfe sind uns die Hände gebunden. Leider sind die Chiefs nicht immer offen für die Thematik. In den letzten Monaten meiner Arbeit hatten wir ein Mädchen im Internat, das von Zuhause weggelaufen war, weil man sie verheiraten wollte. Sie wendete sich an den örtlichen Chief. Die Folge: Vergewaltigung und eine ungewollte Schwangerschaft. Durch die Korruption und die richtigen Beziehungen ist es in diesem Fall schwierig, Gerechtigkeit einzufordern, obwohl der größte Beweis das Baby ist. Es ist einfach verrückt. Dennoch brauchen wir die Chiefs, damit das Gesetz auf unserer Seite steht. Nach den Chiefs schulten wir auch die Mädchen in der Umgebung. Die persönlichen Gespräche mit den Mädchen, nach den Workshops, werde ich nie vergessen.

Folgenden Fragen musste ich mich stellen:

  • Ist es wahr, dass eine Frau die beschnitten ist, mehr Probleme haben wird ein Kind zu gebären?
  • Stimmt es, dass Frauen, die nicht beschnitten sind eher ihren Männern fremdgehen?
  • Stimmt es, dass Sex ohne Beschneidung nicht weh tut?
  • Wie soll ich ohne Beschneidung in meiner Gesellschaft überleben?
  • Wie kann ich meine Eltern überzeugen, mich nicht beschneiden zu lassen?

Es ist ein Prozess und ein langsames Umdenken bei den Chiefs, den Eltern und den Mädchen. Eine Tradition die Jahrzehnte angehalten hat, kann nicht von heute auf morgen durchbrochen werden, auch wenn die Argumente stichhaltig sind. Die Arbeit, die in der Kajiado Mädchenschule geleistet wird, nennt man wohl zurecht Entwicklungszusammenarbeit!

0 Kommentare »
ADRA Deutschland e. V. | Robert-Bosch-Straße 10 | 64331 Weiterstadt | Impressum | Datenschutz | Layout © rasani.design | Umsetzung / Webdesign Thoxan.com