Ein Bericht der Freiwilligen Sarah, die für ein Jahr als Lehrerin in Mexiko arbeitet.
Ich bin inzwischen schon so lang hier in Mexiko, dass ich mich äußerst mexikanisch fühle. Das zeigt sich in einigen Angewohnheiten, die ich mir zugelegt habe. Beispielsweise mache ich mir gar nicht erst die Mühe, pünktlich zu einer der unzähligen Veranstaltungen der Uni zu kommen, eine halbe Stunde nach Beginn mache ich mich so langsam fertig, um dann schlussendlich trotzdem noch zu früh zu kommen. Ich fange an, so manches Essen ohne Schärfe langweilig zu finden und diesen Bericht hier habe ich natürlich nach Abgabetermin begonnen zu schreiben.
Ich denke, das gibt einen guten ersten Eindruck meines Lebens hier und natürlich sagt dies auch schon so einiges über die mexikanische Kultur aus! Doch ein kurzer Bericht reicht lange noch nicht aus, um zusammenzufassen, was ich bis jetzt alles erlebt habe. Ich versuche, einen Einblick in meine Erfahrungen zu geben, in „mein Mexiko“, doch am Ende muss jeder selbst seine Koffer packen, sich in ein Flugzeug setzen und seine Erfahrungen machen. Ich persönlich habe die Mexikaner äußerst liebgewonnen mit all ihren Marotten und Liebenswürdigkeiten.
Begonnen bei meiner Tätigkeit als Lehrerin denke ich mir manchmal, dass man schon ein Buch über den skurrilen Lehreralltag hier schreiben könnte. Was zu Beginn neu für mich war, war die Tatsache, dass keine Stunde pünktlich beginnt und ich also immer erst zehn Minuten nach Beginn oder später anfangen kann. Der Schulunterricht ist oft ein großes Durcheinander. Da steht man dann vor der Klasse, beantwortet gleichzeitig drei Fragen zu Noten, Schulbefreiung und Sonstigem und versucht parallel, die Schüler zu erspähen, die die Hausaufgaben von Mitschülern abschreiben. Hat man dann doch mal den Anfang geschafft, kommt die Phase, in der die Schüler versuchen, mir Persönliches zu entlocken und somit, na klar, Unterrichtszeit zu verschwenden. Ist auch das überstanden, sehen die Schüler dann ein, dass nun wirklich Unterricht gemacht wird. Dies ist die Phase, in der aus diversen Ecken des Klassenzimmers „finish class?“ schallt, was ich immer mit einem fröhlichen „no!“ beantworten darf. Irgendwann ist es dann aber doch geschafft und alle stürmen aus dem Klassenzimmer heraus.
So anstrengend das teils ist, so viel Spaß macht es. Ich nehme die persönliche Herausforderung gerne an, die Klasse durch die Stunden zu manövrieren und immer wieder neue Strategien zu entwickeln, um die Motivation doch hochzuhalten. Und in so gut wie jeder Stunde habe ich auch herzlich viel zu lachen, denn zum Scherze machen ist immer Zeit in Mexiko. Abgesehen vom Unterrichten sind wir (meine Mitfreiwilligen und ich) auch an sämtlichen Veranstaltungen der Universität vertreten und werden als Deutsche („las alemanas“) regelmäßig in den Mittelpunkt gestellt, sei es bei peinlichen Interviews oder Filmclips. Zu Beginn hatten wir von einer adventistischen Uni mit strengen Regeln auch förmliche Veranstaltungen erwartet, doch wurden wir bald eines Besseren belehrt. Denn wie mir scheint, haben es hier einfach wahnsinnig viele Leute im Blut, eine riesige Show zu jedem Anlass zu veranstalten. Spaß hat man auf jeden Fall bei diesen Veranstaltungen, auch wenn organisatorisch selten etwas auf deutschem Niveau abläuft.
Ich habe hier die Erfahrung gemacht, offen aufgenommen zu werden. Wenn ich ein Problem habe, versuchen sofort alle, zu helfen. Ich habe wahnsinnig viele verschiedene Menschen getroffen und einige haben uns ihr Zuhause gezeigt, was so ganz anders ist als in Deutschland. Ich genieße es auch sehr, dass man eigentlich immer ein kleines Schwätzchen hält und so dauert mein Weg vom Zimmer in die English Academy teils dreimal so lang wie geplant. Ich hatte allerdings auch durchaus eine Phase, in der mir das Ganze etwas zu viel geworden ist, denn manchmal möchte man eben schnell zur Arbeit gehen, pünktlich anfangen und motivierte Schüler haben. Dass das eben nicht so läuft, musste ich erst lernen, da ich von Zuhause einfach mehr Organisation und Strukturen gewohnt bin. Doch das Wichtigste ist, dass ich mich darauf einlassen konnte und nun auch die stressigen Klassen genießen kann. Mir war es von Anfang an sehr wichtig, mich in diesem Jahr weiterzuentwickeln und eine neue Kultur weit über den Touristenstandpunkt hinaus kennenzulernen und dies tue ich in diesem besonderen Jahr. Ich freue mich auf die noch verbleibende Zeit und werde Mexiko definitiv so einige Tränen nachweinen!
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