Diesen Beitrag weiterempfehlen oder teilen!
Ein Bericht der ADRA “weltwärts”-Freiwilligen Janine über ihre bisherigen Erfahrungen in Albanien
Zeit. Für mich hat sie hier eine andere Bedeutung bekommen. Einen anderen Sinn. Es sind die Momente und die Augenblicke, die jeden Tag hier in Albanien so einzigartig und kostbar machen und mir immer wieder das Gefühl geben, hier und jetzt genau richtig zu sein. Es geht darum, sich zu öffnen, jeden Tag. Die Eindrücke und Erfahrungen bereitwillig aufzunehmen und an ihnen zu reifen. Es ist ein Abenteuer. Wie eine Tür, die sich plötzlich öffnet und mir den Blick zu verborgenen Räumen freigibt, von denen ich bisher nichts geahnt habe.
Eine verborgene Tür öffnen. So fühlt es sich auch jedes Mal an, wenn ich die Roma Community in Fushe Kruja betrete. Es ist ein Schritt in eine andere Welt. Eine andere Welt mitten im normalen Alltagsleben. Armut – hinter Mauern verborgen. Akzeptiert von der Gesellschaft. Viel zu lange schon. Sobald man die Community betritt, stürmen einem die Kinder entgegen. Es beginnt ein Kampf um ein kleines Stück deiner Aufmerksamkeit. Ein kostbares Gut, dass die Kinder hier viel zu selten von ihren Eltern erhalten.
Jedes dieser Kinder trägt sein eigenes Schicksal. Ausgegrenzt von der Gesellschaft haben sie kaum eine Chance, ein Leben außerhalb der Roma Community zu führen oder einen Weg zu finden, aus der Armut zu entkommen.
Besonders junge Frauen haben es hier sehr schwer. Aufgrund der alten Traditionen, welchen die Roma folgen, werden Mädchen bereits im Alter von 11 oder 12 Jahren verheiratet, um dann mit 13 Jahren ihr erstes Kind zu bekommen. Alle Entscheidungen werden von dem Mann und der Schwiegermutter getroffen. Das Leben ist bereits vorgezeichnet, bevor es überhaupt begonnen hat.
Genau hier setzt ADRA Albanien an. In dem Reflect Project, in dem ich arbeite, werden sowohl Roma Kinder, als auch junge Frauen und Männer unterrichtet. Die Kinder im Alter von 4 bis 6 Jahren werden spielerisch auf die Schule vorbereitet. Da sie abgeschottet von der albanischen Gesellschaft in ihrer Community aufwachsen, sprechen sie ihre eigene „Roma-Sprache“ und verstehen oftmals kein Albanisch.
Jeden Tag aufs Neue füllt sich der Klassenraum und große Augen blicken mich an. Dann wird ein Lied zur Begrüßung gesungen.
Während des Unterrichts flüsterte mir Sonita, ein vierjähriges Roma-Mädchen kürzlich „Mesuese“ zu. Ich beugte mich zu ihr herunter und erwartete eine Frage. Doch was kam, waren zwei kleine Kinderarme, die sich um mich schlangen und mich zu sich herunter zogen, um mir dann einen Kuss auf die Wange zu geben. Ein Lächeln. Einer der Augenblicke, der Momente, die einem das Glück des Lebens bewusst werden lassen.
Es ist ein langer Weg und manchmal auch ein sehr steiniger. Es ist nicht immer einfach und immer wieder begegnet man Vorurteilen und festgefahrenen Meinungen, doch darum geht es nicht. Es geht nicht darum, die ganze Welt zu verändern – erst recht nicht von heute auf morgen. Man braucht Geduld, Ausdauer und ein klares Ziel. Aber jeder einzelne Schritt, jeder Moment, an dem ein Kind dir sein Lächeln schenkt, ist ein gewonnener Moment. Es ist ein Ausblick nach vorne, auf eine Vision, wie es einmal sein könnte.
Ich bin unglaublich dankbar, dass ich das jeden Tag erleben darf und spüre jetzt schon, wie sehr ich jedes einzelne Kind in mein Herz geschlossen habe.
Mehr über Janines Abenteuer in Albanien erfahrt ihr in ihrem Reiseblog: http://jalbania.blogspot.de/2014/04/skopje-tirana-zu-hause.html
0 Kommentare »