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Eigentlich scheint alles wir immer ganz normal chaotisch. Doch dann kommen plötzlich Angehörige einer Patientin der Nachbarstation ganz aufgeregt zu dir, weil etwas nicht in Ordnung ist und die zuständige Schwester, aus welchem Grund auch immer, ist mal wieder nicht anwesend. Dein Gefühl sagt dir schon vorher, dass es wirklich ernst ist. Endlich am Patientenbett angekommen, findest du dann ein Neugeborenes in den Armen seiner Mutter vor, was nur noch ab und zu mal nach Luft jappst. Und wie in diesen schlechten Alpträumen sind natürlich alle Räume abgeschlossen, du hast keine Chance an etwas zu kommen um das kleine Wesen von den Sekreten in seinen Atemwegen zu befreien und natürlich ist niemand da, der dir mal helfen könnte. Das Einzige was ich hatte, war mein Handy um, Lydia anzurufen und in der Zwischenzeit das zu machen, was mir irgendwie möglich war. Nach einer halben Ewigkeit erscheint dann auch mal wieder die Nurse, die überhaupt nicht checkt was vor sich geht und schließt die Arbeitsräume auf. Inzwischen atmet das Baby nicht mehr und der Puls ist auch nicht zu fühlen. Du fängst an zu reanimieren, die Zeit scheint still zu stehen und du betest: „Lieber Gott, mach dass es wieder Luft holt!“ Um dich herum ist plötzlich alles in Aufregung…Sauerstoffgerät… Adrenalininjektion… Doch am Ende wickelst du wieder nur einen leblosen Körper in ein Laken ein und wenn das dann schon das zweite tote Kind in deinen Händen an nur einem Tag ist, dann kann man schon mal verzweifeln.
Es gibt wirklich Momente, in denen ich das Gefühl habe an meine Grenzen zu stoßen.
Mütter kommen mit ihren abgemagerten Kindern, die nur noch einen Hämoglobinwert von 2,6 haben hier her. Der Körper ist übersäht mit Narben, weil sie natürlich vorher erst beim Hexendoktor waren und dann erwarten sie, dass wir hier noch Wunder vollbringen. In diesen Fällen ist es dann meistens schon zu spät und auch wir können nicht mehr viel machen. Aberglaube und Magie sind hier ein ziemliches Problem.
Aber es gibt auch gute Erlebnisse und viele Dinge für die ich sehr dankbar sein kann. Zum Beispiel kann ich froh sein, dass ich hier Menschen habe, die mich wirklich aufmuntern, wenn es mir nach einem harten Arbeitstag schlecht geht. Die wirklich für mich da sind und mich trösten, wenn mir eigentlich mal wieder nur zum heulen zumute ist.
Einmal hatte ich eine Patientin nach einer OP und ich musste darauf achten, dass ihre Atmung auch immer gut ist. Ich dachte schon, toll jetzt machst du hier ne’ halbe Intensivbetreuung nur ohne Monitor, während du aber noch die Station voll mit anderen Patienten hast. Es hat aber nicht lange gedauert, da war sie einigermaßen aus ihrer Narkose aufgewacht und hat, obwohl sie noch ziemlich benebelt war, angefangen Kirchenlieder zu singen. Ich wusste dann immer, so lang sie singt, atmet sie auch noch und das hat mir meine Arbeit sehr erleichtert. Für mich war es ziemlich beeindruckend, zu hören wie sie Gott gelobt hat, obwohl sie noch Schmerzen hatte.
Auch hatten wir hier eine Patientin für zwei Monate, aufgrund eines komplizierten Bruches. Ich habe sie und ihre Tante in dieser Zeit echt lieb gewonnen und wir hatten das ein oder andere gute Gespräch über Gott und die Welt. Zu meinen Glück konnte sie relativ gut Englisch sprechen und immer wenn ich Probleme hatte, einen meiner Patienten zu verstehen, dann hat sie für mich übersetzt, das hat mir oft geholfen. Ich denke dann: “Gott, du bist wirklich gut zu mir, auch wenn ich es manchmal vielleicht nicht sehen mag!“. Gerade in den schweren Momenten merke ich, wie wichtig es ist, sich von ihm tragen zulassen, auch wenn er mir manchmal unendlich weit entfernt scheint.
Ina-Maria (Tansania)
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