Diesen Beitrag weiterempfehlen oder teilen!
Die letzten zwei Monate waren ziemlich turbulent und ich habe viel erlebt. Zu viel um das einfach mal in einer Mail zusammenzufassen, aber ich fange mal an, ein bisschen von meinen vergangenen Erlebnissen hier in Tansania zu erzählen.
Seit meiner letzten Mail musste ich mich, von einigen liebgewonnenen Menschen verabschieden. Lydia hat ihr Jahr beendet und ist seit einem Monat zurück in Deutschland. Kurz darauf ist Dr. Diana abgereist und auch Laila ist seit einer Woche zurück in Dänemark und genießt ihr altes Leben. Den amerikanischen Studenten, welche uns regelmäßig zu ausgelassenen Kinoabenden besucht haben, ist es mittlerweile auch zu eintönig geworden und sie haben sich auf und davon gemacht.
Tja, es herrschen gerade einsame Zeiten für Wazungu (Weiße) in Heri, aber ich bin zum Glück nicht allein, denn als ich in Dar es Saalam war, habe ich von dort gleich mal Viola, eine neue, deutsche Freiwillige mitgebracht.
In Moshi habe ich ein Seminar für Freiwillige besucht, was sehr interessant für mich war und das Zusammentreffen und der Austausch mit den anderen Teilnehmern hat mir sehr gut getan. Danach habe ich noch freie Tage genossen, war auf Safari, habe Arusha unsicher gemacht und den einen oder anderen Ort in Tansania besucht. Ich habe in den einfachsten Unterkünften ohne fließend Wasser und Strom geschlafen, aber auch Nächte in sehr noblen Hotels verbracht. Das war dann aber der Airline zu verdanken, die wieder einmal für meine Übernachtung sorgen musste, nachdem mein Flug gestrichen wurde. Am Vortag hat man noch mit den Fingern gegessen und hatte einen halben Eimer mit Wasser, um sich von Kopf bis Fuß zu waschen, 24 Stunden später gibt es plötzlich ein Dreigänge-Menu, ein heißes Bad und einen Swimmingpool auf dem Dach. Das habe ich dann so richtig genossen.
Als ich in Arusha angekommen bin, war es als würde ich zurück in der „Zivilisation“ sein. Ich weiß noch was ich empfunden habe, als ich von Deutschland dort ankam, ich war von dem ganzen Chaos überfordert und habe mich gefragt, was das für eine Stadt ist. Und es ist auch wirklich chaotisch, laut und schmutzig, aber mit dem nötigen Kleingeld, kannst du dort fast alles bekommen und es gibt einen richtigen Supermarkt wie daheim, wo man durch die Reihen gehen kann. Nach drei Monaten Heri ein richtiges Erlebnis. Nicht, dass ich das ganze Zeug bräuchte, was da in der Regalen stand, aber einfach nur die Möglichkeit es kaufen zu können war faszinierend. Es war spannend durch das Gewusel in den Straßen zu laufen und die Stadt neu für sich zu entdecken. Allerdings wird dir in großen Städten der Unterschied zwischen Arm und Reich mehr bewusst. Man muss auch besser auf sich aufpassen, vor allem Dar ist nicht ganz ungefährlich, wenn man zu naiv ist.
Durch die eine oder andere Erfahrung habe ich mir schon einen forschen Ton angelegt und wenn jemand zu aufdringlich wird oder denkt, er kann die Mzungu übers Ohr hauen, dann wird er schon mal zurechtgewiesen. Damit rechnen sie oft nicht und ich bin überrascht, dass ich meinen Willen bekomme. Meine Schutzengel sind aber auch im Dauereinsatz, denn oft genug bin ich doch etwas unvorsichtig und plötzlich wird man mit einem Messer bedroht und fast ausgeraubt. Weniger lustig ist auch, wenn das Flugzeug, in dem man sich gerade befindet, komische Geräusche macht und der Pilot durchgibt, man müsse wegen technischer Probleme wieder umkehren.
Meine Auszeit vom Krankenhausalltag war also ziemlich aufregend. Trotzdem muss ich zugeben, dass ich froh bin wieder zurück in Heri zu sein, weil ich es ein bisschen vermisst habe – immer in dem gleichen Bett zu schlafen.
Könnt ihr euch vorstellen, dass ich in einem Monat bereits ein halbes Jahr weg bin? Ab und zu kann ich mich nicht entscheiden, ob mir die Zeit hier zu langsam oder vielleicht doch zu schnell vergeht. Es gibt Momente in denen ich gern hier bin und hundert andere in denen ich am liebsten in den Flieger Richtung Heimat einsteigen würde. Ich könnte wahnsinnig werden, wenn es im Krankenhaus keine Handschuhe mehr gibt, man sich fast an irgendwelchen Nadeln verletzt, weil diese einfach durch leere Transfusionsbeutel gesteckt werden oder ein Patient nicht richtig behandeln werden kann, weil einfach nicht die Möglichkeiten gegeben sind. Ich bin immer froh, wenn nicht ich diejenige bin, welche mal wieder ein Kind reanimieren muss. Es ist nämlich einfach frustrierend, weil es nicht wirklich eine Chance gibt.
Dies sind halt die Zustände hier im Hospital. An Vieles gewöhnt man sich, aber das heißt nicht, dass man es gut findet. So manche Dinge nehme ich einfach hin, weil ich nicht die Möglichkeit habe sie zu ändern und sich ewig darüber aufzuregen, kostet einfach zu viel Energie. Ich freue mich über die kleinen Dinge, zum Beispiel wurden von Spendengeldern ein paar Waschschüsseln gekauft und ich will mit Viola versuchen, jetzt etwas mehr Sauberkeit in die Station zu bekommen. Es ist unglaublich, wie schmutzig viele der Kinder sind. Für Viola ist jetzt alles noch so neu und an ihren Reaktionen merke ich, wie angepasst ich eigentlich schon bin.
Trotz der Dinge, die mich aufregen, habe ich mich ein Stück in Land und Menschen verliebt.
Ich mag es, wenn nach dem Regen die Luft nach Eukalyptus riecht, die Sonnenaufgänge, wenn ich zum Frühdienst gehe und den Sternenhimmel, nachdem sich die Regenwolken verzogen haben. Klingt vielleicht total kitschig, ist aber dennoch wunderschön.
Ich habe angefangen, die Menschen hier richtig lieb zu gewinnen. Es ist schon komisch, ich mag sie, aber verstehen kann ich sie trotzdem nicht. Der Unterschied scheint in manchen Momenten so groß und gleichzeitig werde auch ich immer die reiche Weiße bleiben, welche oft so verrückte Sachen macht.
Manchmal frage ich mich schon jetzt, wie es wohl sein wird, wieder Heim zukommen. Ob ihr mich dann vielleicht auch nicht mehr versteht, weil ihr nicht das gesehen habt, was ich gesehen habe.
Ina (Tansania)
0 Kommentare »