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Lydia über Fussball, Aids und Gottesdienst



Geschrieben am Freitag, 04. Juli 2008 von "weltwärts"-Freiwilliger/em

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Ein herzliches Hallo nach Deutschland,

seid ihr schon vom Fußballfieber gepackt. Ich hab heut gehört, dass Deutschland gegen Österreich gewonnen hat, das hat mir ein Krankenpfleger erzählt und mich gefragt, ob ich jetzt happy bin!

Die Zeit vergeht hier echt schnell und ich kam leider bis jetzt noch nicht dazu euch die nächste Rundmail zu schreiben. Dazu kommt auch noch, dass wir letzte Woche keinen Strom hatten, weil es einen Kurzschluss gab und die Elektrik durchgebrannt ist. Wir hatten dann für 3 Tage keinen Strom. Weil es abends dann schon um sieben dunkel wird, bin ich auch ziemlich zeitig zu Bett. Und zur Zeit arbeite ich auch ziemlich viel auf Station und war letzte Woche die meiste Zeit alleine auf Schicht. Da hatte ich schon manchmal ganz schön Stress und war ziemlich geschafft, wenn ich von der Arbeit kam. Dazu kam noch, dass jemand krank geworden ist und ich die Schicht übernehmen musste. So habe ich am Samstag von Früh bis Abends gearbeitet. Ich weiß, dass ihr auch viel Stress habt, deshalb höre ich auch jetzt auf zu lametieren.
Ich hoffe es geht euch allen gut. So langsam zieht auch hier Alltag in mein Leben ein und ich gewöhne mich an vieles. Deshalb muss ich auch erst mal überlegen, was ich euch alles berichten kann.

Maleikas Ehemann ist seid einigen Wochen hier der neue Pastor zuständig für das Krankenhaus. Ich muss sagen, dass die Versetzung ziemlich schnell ging. Der vorherige Pastor hatte nur fünf Tage Zeit um alle Sachen zu packen und abzureisen. In Deutschland würde glaube ich jeder protestieren und er tat mir schon leid, aber er hatte keine andere Wahl. Zur Zeit wohnen Maleika und Baraka noch mit mir in einem Haus. Die Renovierungsarbeiten gehen sehr schleppend voran, aber das finde ich nicht schlimm. Es ist ganz lustig mit den beiden. Baraka hat mich gleich als seine „first daughter“ getauft. Wir verbringen meistens die Abende miteinander. Baraka möchte immer am Abend ein warmes Essen, während wir beide kein Festmahl haben müssen. Es gibt dann manchmal Diskussionen, dass wir doch essen sollen. Das Essen hat für Afrikaner schon eine wichtige Stellung. Wenn ein Besucher kommt ist es in erster Linie wichtig miteinander zu essen, das Gespräch kommt erst an zweiter Stelle. So wird es abends meistens sehr spät. Ich kann mit vollem Magen aber nicht gut schlafen, deshalb versuche ich nicht viel zu essen. Aber wenn du eingeladen bist, wirst du fast gezwungen mehr zu essen, weil es sonst eine Beleidigung ist, wenn man nicht isst.

Meine Arbeit auf Station ist echt umfassend von Intensivmedizin bis Babypflege.
Wir haben gerade ein sechs Monate altes Baby auf Station. Diagnose Magenausgangsstenose. Es hat nach jeder Mahlzeit fast immer erbrochen und war auch dementsprechend dehydriert. Der Versuch eine Flexüle zu legen scheiterte kläglich. Deshalb musste eine Vene freipräpariert werden. Dann haben wir das Baby erstmal mit ordentlich i/v Flüssigkeit gefüttert, bevor es operiert wurde. Eine Op in einem solchen Alter ist natürlich schon sehr risikoreich und dazu kommen noch afrikanische Verhältnisse, aber erstaunlicherweise war die OP komplikationslos. Die ersten Tage durfte das Baby nur intravenöse Flüssigkeit bekommen und es war dementsprechend hungrig. Am dritten Tag haben wir angefangen Muttermilch alle zwei Stunden über eine Spritze zu geben. Und ich war so happy als das Baby nicht erbrochen hat und zu gar schon gestuhlt hat. So konnten wir am nächsten Tag schon jede Stunde füttern und am übernächsten Tag haben wir 10mls gefüttert. Es gab keine Komplikationen bis jetzt und die Mutter hat mittlerweile angefangen die Brust zu geben. Sie ist so glücklich über ihr Kind und auch darüber, dass alle Kosten von Spendern übernommen werden, da sie absolut kein Geld hat und so eine OP unmöglich gewesen wäre.

Einer andere Patientin wurde die Milz entfernt, weil sie übergroß war. Dies ist eine der Komplikationen von Malaria. Eigentlich ist diese OP sehr blutig und so hat sie schon vor der OP zwei Blutkonserven bekommen. Die OP verlief aber ohne große Probleme. Der Patientin ging es auch ganz gut bis dann der zweite Post-op Tag kam. Sie hat auf einmal massiv aus der Wunde geblutet und es musste noch mal der Bauch aufgemacht werden.

Ungefähr 3l Blut haben sie abgesaugt, und erst jetzt haben sie auch eine Drainage gelegt, damit weiteres Blut abfließen kann. Sie konnten aber keine Blutungsquelle finden, außer einer Sickerblutung an den Nähten. Das Problem ist, dass sie die Koagulationszeit ihres Blutes auf 11min angestiegen ist und somit das Blut sehr lange braucht um zu gerinnen. Durch die Bluttransfusionen, die sie benötigt hat ist diese Zeit so verzögert. Es ist hier auch nicht möglich nur einzelne Blutbestandteile zu transfundieren. Sie können nur insgesamt Blut geben und der Patient muss seine Blutspender selber finden. Die Patientin hat Tage darauf noch sehr geblutet und insgesamt wohl sechs oder mehr Bluttransfusionen erhalten. Die letzten Tage hat sie dann noch eine Bauchfellentzündung bekommen und auch das Sekret ist nicht aus der Drainage gelaufen, sondern aus der Wunde und nebenher. Das war schon furchtbar mit anzusehen, wie sie leidet und dann hatte ich auch nicht immer das sterile Material zum Verbinden parat und konnte nicht gleich einen frischen Verband machen. Schlussendlich ist sie dann gestern Abend gestorben. Leben und Tod liegen doch so dicht beieinander. Aber was mich an dieser Frau so fasziniert hat, war, dass sie doch so freudig war und auch die Angehörigen waren immer sehr nett. Oft wenn ich vorbei gelaufen bin, haben sie gerufen: Karibu chakula, Lydia (willkommen zum Essen).

Eine andere Patientin wurde diese Woche positiv auf HIV getestet. Sie kam eigentlich wegen einem Oberschenkelbruch und liegt schon einige Wochen in Extension, das heißt das Bein wird mit gestreckt indem ein Zug auf es wirkt, beschwert durch Gewichte (siehe Bild). Diese Methode wird hier meist angewendet und die Patienten liegen dann einige Wochen damit. Schrauben und Platten werden hier sehr selten verwendet, weil es meist an Material fehlt. Aber trotzdem ist unsere Klinik fortschrittlich, weil sie die einzige in der Region ist, die Knochenbrüche behandelt. OK zurück zu der Patientin. Ich habe letzte Woche an ihrem Ohr und am Rücken Herbesbläschen festgestellt und weil wir mal eine Patientin hatten, die auch solche Symptome hatte (siehe Bild) und positiv auf HIV getestet wurde, habe ich vorgeschlagen einen HIV Test zu machen. Der Klinikofficier hat nur gemeint, dass es nicht nötig wäre, aber ich habe darauf beharrt und so hat er zugestimmt. Es muss dann ein Pre Counselling gemacht werden, ob der Patient einverstanden ist und sie hat auch zugestimmt. Danach wird ein Post Counselling gemacht. Dafür sind spezielle Krankenschwestern zuständig. Ich war sehr überrascht, als ich die Patientin gesehen hab nachdem sie ihr Ergebnis bekommen hat und sie keinerlei Emotionen gezeigt hat. Ich weiß nicht, wie es in ihrem Inneren aussieht, aber solch eine Prognose zu bekommen, ist auch hier in Afrika, wo Aids viel mehr verbreitet ist, echt schlimm. Man wird teilweise echt wie eine Aussätzige behandelt und ausgestoßen. Sie ist auch erst 28 Jahre.
Ja, ja, manchmal ist das Arbeiten hier schon nicht einfach.

Die Regierung versucht aber viele Initiativen zu starten um die HIV-Infektionen einzudämmen. Es werden auch immer wieder Fortbildungen angeboten und es gibt eine spezielle Organisation, genannt ICup (ich glaub so wird sie geschrieben) , die sich nur um diese Krankheit kümmert.
OK, jetzt habe ich euch wieder traurige Geschichten erzählt, obwohl ich das gar nicht wollte.

Themawechsel:

Apropos Fußball: letztens war ein Fußballspiel Heri Worker gegen Mitarbeiter des Immigrationsoffices an der Grenze zu Burundi.
Es hat im nächsten Ort stattgefunden und ich war überrascht, was für ein Menschenauflauf dort war. In der ersten Halbzeit waren unsere Leute echt gut (wir haben ein paar sehr gute Fußballspieler) und haben zu gar ein Tor geschossen, in der zweiten Halbzeit waren sie dann schon etwas geschafft und die andere Mannschaft hat die Chance genutzt und den Einstand gemacht. So stand es dann unentschieden bis zum Schluss. Eine Mzungu, die dänische Studentin, hat mitgespielt und die Leute haben schon nicht schlecht geguckt und viele haben gemeint sie spiele gut.

An einem Sabbat war ein Gottesdienst für mehrere gemeinden der Region und verschiedene Chöre haben gesungen. Am Nachmittag haben dann nur die Chöre ein Programm gegeben. Unser Chor hat auch gesungen und ich hatte sogar eine Choruniform. Sie waren gar nicht tot zu kriegen und wollten immer noch mehr Lieder singen und präsentieren. Das war schon lustig, aber ich war danach auch etwas geschafft, weil wir auch immer nur ein Lied gesungen haben und dann von der Bühne gegangen sind, dann war der andere Chor dran und dann wieder wir. Es war fast wie ein Wettbewerb. Der andere Chor war schon professionell. Wir müssen dagegen noch viel üben, um eine CD aufnehmen zu können. Das haben sie jedenfalls diesen Sommer vor, aber bedenke African Time.

Eine lustige Story zu African Time: Es sollte eine Willkommensparty für Baraka veranstaltet werden. Das läuft hier so ab, dass ein gemeinsames Essen stattfindet, etwas Musik ist und verschiedene Redner zu Wort kommen. Jeder soll dann etwas zu Essen beisteuern. Die Party war auf 18.00 Uhr abends angesetzt. Ich kam schon verspätet, erst halb sieben und stand vor verschlossener Tür. Es war kein Mensch da und es war auch noch nichts vorbereitet. Schlussendlicher Beginn war dann so gegen acht. Von europäischer Pünktlichkeit weit entfernt.

Ja, nun seit ihr wieder zugetextet mit africanischen News und ich hoffe, ich habe euch nicht gelangweilt. Ich freue mich auch immer über Nachrichten aus dem „old Germany“.

Gottes Segen und genießt das Leben in Deutschland.

Liebe Grüße
Eure Lydia

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